Vom richtigen Umgang mit dem Falschen
Fehler sind unser Beruf, so viel ist klar. Beim Korrektorat, aber auch beim Lektorat geht es genau darum: Rechtschreib-, Grammatik-, Denk- und andere Fehler im geschriebenen Wort zu erkennen und entsprechend zu korrigieren (https://www.dddj.at/ablauf/).
Für Lektor:innen tut sich dabei ein schwieriges Feld auf, denn: Niemand macht gern Fehler! Und noch weniger gern wird man auf seine Fehler hingewiesen. Wie kann unsere Berufsgruppe mit diesem psychologisch komplexen und hochemotionalen Thema umgehen? Wie balanciert man am sichersten auf dem schmalen Grat zwischen Fehlerverweis und Besserwisserei?
Wir von der/die/das Joghurt arbeiten schon seit vielen Jahren mit den unterschiedlichsten Autor:innen und Redakteur:innen zusammen, lektorieren und korrigieren nahezu alle Textsorten, von der Tageszeitung über Literaturzeitschriften oder Selfpublisher- und Jugendromane bis hin zu Werbeslogans, und achten dabei auch auf eine stimmige Text-Bild-Sprache. Mit der Zeit haben wir viele Erfahrungen im Umgang mit Fehlern und der herausfordernden „Fehlerkultur“ gesammelt.
Voller Fehlerfreude
Es wäre gelogen zu sagen, dass sich Lektor:innen nicht über Fehler „freuen“. So ticken wir eben … Wir suchen Fehler und wenn wir sie finden, haben wir unsere Arbeit gut gemacht – das freut uns. Das hat nichts mit Überheblichkeit oder gar Besserwisserei zu tun, es ist ein Handwerk wie jedes andere.
Schwieriger ist in weiterer Folge, wie man diese Fehler kommuniziert. Bei Rechtschreibfehlern ist das relativ einfach, hier gibt es (meist) nicht viel Diskussionsspielraum. Und auch darüber hinaus gibt es je nach Textsorte Konventionen, Regeln, Kriterien, wann ein Text gelungen ist und wann weniger. So muss etwa ein wissenschaftlicher Text in einheitlicher Form seine Quellen nennen und argumentativ schlüssig sein. Manche dieser Konventionen und Kriterien eröffnen einen Graubereich. Es ist nicht die eine Formulierung eindeutig falsch und die andere eindeutig richtig. Vor allem etwa bei stilistischen Fragen ist die feine Klinge gefragt.
Sprachliche Vorlieben sind so individuell wie die Verfasser:innen, darauf nehmen wir Lektor:innen Rücksicht. Niemals wollen oder sollen wir unseren Stempel dem Text einer anderen Person aufdrücken. Stolpern wir beim Lektorieren aber über eine holprige Formulierung, ein schiefes Bild oder ein problematisches Klischee, ist es unsere Aufgabe, Alternativen vorzuschlagen, um die Lesbarkeit und Angemessenheit des Textes zu erhöhen. Dabei haben wir auch immer die Zielgruppe im Auge, die angesprochen werden soll.
Seitenwechsel
Wie können solche Vorschläge aussehen? Eine unserer Kund:innen schreibt (https://www.dddj.at/referenzen-stimmen/): „Autor:innen haben kein kleines Ego.“ Sich diesen Satz immer wieder ins Gedächtnis zu rufen und auch den Blickwinkel öfter zu wechseln, begünstigt eine wertschätzende Fehlerkultur. Wir erinnern uns wohl alle noch mit Grauen an Deutschlehrer:innen und Universitätsprofessor:innen, die uns unsere Texte zurückgeknallt haben – verunziert vom Rotstift und mit zahlreichen, wenig konkreten Anmerkungen versehen, damals noch in krakeliger Handschrift: „So geht das nicht!!“, „Falsch!“ oder einfach nur „???“. Förderlich für das Selbstvertrauen war das meist nicht – und zum Verständnis, worin das Problem tatsächlich lag, trug es natürlich auch nicht bei.
Auch wenn wir aus heutiger Sicht besser verstehen können, weshalb bei Unmengen an zu korrigierenden Arbeiten die Höflichkeit oft auf der Strecke bleibt, zeigen uns diese Beispiele doch deutlich, wie es nicht sein soll. Autor:innen haben meist ihr ganzes Herzblut in einen Text gesteckt. Nicht selten werden wir gebeten, ihr „Baby“ zu lektorieren. Wir von der/die/das Joghurt bemühen uns immer um einen wertschätzenden und respektvollen Umgangston. Kommentare formulieren wir möglichst sensibel und ergänzt durch konkrete Vorschläge: „Verständlicher wäre folgende Formulierung“, „Ich kann Ihnen hier leider nicht folgen, was meinen Sie genau damit?“. Kleine Worte machen den feinen Unterschied. Ein paar typisch österreichische Konjunktive in den Kommentarblasen zeugen nicht von unserer Unsicherheit, sondern von Feingefühl, wodurch Korrekturen oft besser auf- und angenommen werden können. So fühlen sich Autor:innen nicht überwältigt von Verbesserungsvorschlägen und selbstverständlich können immer noch sie selbst entscheiden, welche Vorschläge sie annehmen und welche Formulierungen sie letztlich wählen.
Lektorieren – ein langweiliger Job?
Fehler zu machen, ist unangenehm. Diese aber mit Humor zu behandeln, kann helfen. Zugegeben: Von Zeit zu Zeit müssen wir bei unserer Arbeit schmunzeln, wenn wir einen besonders lustigen Buchstabendreher, der womöglich eine Zweideutigkeit oder ein absurdes Bild erzeugt, vor uns haben (Klassiker wie scheißen statt schießen, fruchtbar statt furchtbar oder der sportliche Bauer, der sich als Schweinwerfer versucht). Und manchmal entstehen so auch ungewollt wunderbare Wortschöpfungen. Diese zu entdecken, ist eine der vielen schönen Seiten des Lektor:innenberufs. Und das Klischee von humorlosen, rechthaberischen, staubtrockenen Lektor:innen, die ihre Tage im finsteren Kämmerlein zwischen Lexika und Regularien fristen, kann jedenfalls archiviert werden.
Ein Eingeständnis zum Schluss
Zu guter Letzt geben wir ganz ohne Schamgefühl zu: Auch wir Lektor:innen machen Fehler! Denn für die eigenen Texte ist man blind, das kennen wir alle. Und wir können auch über unsere Fehler lachen, zumindest mit einem Auge – das andere ärgert sich natürlich fruchtbar 😉
Das wunderbare Comic zu diesem Blog-Beitrag stammt übrigens aus der digitalen Feder unserer ehemaligen Kollegin Waltraud Wetzlmair-Zechner (https://sketchnotes.at/). Vielen Dank dafür!