Von handverlesenen Verschreibern und Überlesern
Wir machen alle Fehler, auch Lektor:innen. Das ist ein Dilemma des Berufs: Es dreht sich vieles um das Verbessern, dabei sind auch wir nicht davor gefeit, etwas zu übersehen oder gar zu verschlimmbessern. Was uns schon so alles passiert ist, lesen Sie in diesem Blogbeitrag. Und wie ein entspannterer Umgang mit den eigenen Unzulänglichkeiten gelingen kann, verrät Ihnen (und uns) Coach Brigitte Weutz.
Auch Lektor:innen schweifen ab, werden abgelenkt, drücken die falsche Taste. Natürlich selten, aber doch. Und wenn, dann richtig!
Nicht nur im öffentlichen Raum sind wahre Fehlerschätze zu finden, die uns zum Schmunzeln bringen. Immer wieder posten wir den einen oder anderen Verschreiber auf unserem Instagram-Kanal. Natürlich begegnet uns auch in den Texten, die wir für ein Lektorat oder ein Korrektorat erhalten, hin und wieder unabsichtlich Humoriges.
Wie schon im Blogbeitrag „Vom richtigen Umgang mit dem Falschen“ ausgeführt, ist es kein Auslachen, wenn uns ein sprachliches Hoppala zum Schmunzeln bringt. Schließlich hat es sich nur dadurch ergeben, dass die schreibende Person mit den Gedanken kurz woanders war oder von einem Außen abgelenkt wurde oder schlicht auf der Tastatur ein paar Millimeter danebengehaut hat. Wir sehen darin keine Unzulänglichkeit. Aber ein einfacher Buchstabendreher oder ein Buchstabe, der fehlt oder zu viel ist, lässt neue Bedeutungen entstehen, die im Kopf völlig neue Bilder hervorrufen. Der unerwartete Bruch erzeugt die Komik. Und wir lachen nicht nur über die Fehler anderer, sondern können auch über unsere eigenen lachen. Sie glauben das nicht? Vielleicht können wir Sie vom Gegenteil überzeugen, indem wir Ihnen im Laufe dieses Beitrags handverlesene Verleser und Vertipper unsererseits präsentieren. Denn auch Lektor:innen schweifen ab, werden abgelenkt, drücken die falsche Taste. Natürlich selten, aber doch. Und wenn, dann richtig!
Wir machen alle Fehler
Vor vielen Jahren entging der Verfasserin dieses Beitrags, dass dem „Flickwerk“ das l fehlte. So etwas sollte einer Lektorin natürlich nicht passieren. Humorvoll betrachtet, könnte dieser Verleser der Tatsache geschuldet gewesen sein, dass sie Oberösterreicherin ist und im oberösterreichischen Dialekt das l bekanntlich gern ausgespart wird. Vermutlich ist Humor eine gute Strategie für einen entspannteren Umgang mit einem Fauxpas wie diesem. Und ein solcher ist schon sinnvoll, denn Fehler zu machen, hat auch einen Nutzen: Es stellt sich ein Lerneffekt ein. Wörter wie „Flickwerk“ werden seither noch genauer unter die Lupe genommen.
Vor vielen Jahren entging der Verfasserin dieses Beitrags, dass dem „Flickwerk“ das l fehlte.
In „Anbrechtat“ dieses peinlichen Fehlers stellen sich Zweifel ein, ob es klug ist, diesen Blogbeitrag zu veröffentlichen. Aber wie könnten wir Ihnen besser demonstrieren, dass auch wir keine perfekten Sprach-, Schreib- und Lesewesen sind? Dass es keine Schande ist, Fehler zu machen? Dass auch Expert:innen
nicht immer perfekt funktionieren, dass auch die Aufmerksamkeit von Konzentrationsmeister:innen manchmal ihre eigenen Wege geht?
Und wo könnten wir besser üben als an uns selbst? Hier erforschen wir all die Wege, die unsere Tippfinger, unsere Gedanken nehmen – auch jene, die in die „falsche“ Richtung gehen. Das macht uns aufmerksamer. Doch warum übersehen wir Fehler überhaupt?
Das Gehirn – ein Musterbuch
Zum einen ist die Fähigkeit der Antizipation ein überlebenswichtiger Mechanismus des Gehirns: Es kann vorwegnehmen und dadurch (vor-)schnelle Reaktionen in Gang setzen. Beim Schreiben geht es zwar nicht ums Überleben (auch wenn so manche:r das anders sieht), aber dem Mechanismus kommen wir dennoch nicht aus. Das Gehirn ist schneller, denkt schon weiter, und unsere Fingerfertigkeit hinkt hinterher. Dann fehlt einmal ein Wort oder ein neuer Gedanke schummelt sich schon in einen noch unvollständigen Satz hinein. Oder wir hängen einer Überlegung nach oder wir hängen einer Überlegung nach und beginnen einen Satz zweimal.
Sprache unterliegt Mustern, die das Gehirn so sehr mag, und kleine Ungenauigkeiten ignoriert unser Denkapparat gern.
Zum anderen ist unser Gehirn als „Musterbuch“ ziemlich gut darin, zu erwarten, vorwegzunehmen und schnell zu reagieren: Es ist gar nicht so leicht zu irritieren. Passt etwas nicht ins Bild, wird es passend gemacht. Sprache unterliegt Mustern, die das Gehirn so sehr mag, und kleine Ungenauigkeiten ignoriert unser Denkapparat gern. Deshalb sind gerade Vertipper, aus denen sich ein korrekt geschriebenes Wort ergibt, jene, die am schwierigsten zu detektieren sind. Auch wenn der so entstandene Inhalt Unsinn ist, ist er vom Gehirn schwer wahrzunehmen. Alle „Hymen“ statt „Hymnen“, jeder Jackpot, der „gekackt“ wird, alle „Schweinwerfer“ und „Uhrzeittiere“ dieser Welt haben also ihre Berechtigung – und nicht jede „Schreibwiese“ kann von uns getrimmt werden. Seien wir also gnädig, ob wir nun schreiben oder lektorieren: Denn Perfektion ist ein hohes Ziel, das man nicht immer erreichen kann.
Damit wollen wir nicht sagen, dass Fehler egal sind und Texte kein Lektorat mehr benötigen. Auch nicht, dass Lektor:innen jederzeit Fehler übersehen dürfen. Wir wollen nur sagen, dass es nicht das Ende der Welt bedeutet, einen Fehler zu machen. Uns ist Sprache, sind Texte wichtig, ebenso die Menschen, die sie verfassen. In der gemeinsamen Arbeit am Text spielt ein entspannter Umgang mit Fehlern eine wichtige Rolle, nicht nur für eine gute Beziehung zwischen Lektor:innen und Schreibenden, sondern auch dafür, den Text ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken. Denn er ist der Protagonist, nicht die Fehler.
Umgang mit Perfektionismus und eigenen Fehlern
„Im Gegensatz zum positiven Perfektionismus, der durch Gewissenhaftigkeit, Erfolgsstreben, Qualitätsstandards und Freude am Tun geprägt ist, stehen beim negativen Perfektionismus Vollkommenheit und Sicherheit an oberster Stelle. Der ständige Antreiber ist hier die Angst vor dem Scheitern und der Ablehnung.“ Brigitte Weutz, Coach und Beraterin, hat uns für diesen Beitrag ein paar Impulse zum Thema Perfektionismus und Umgang mit Fehlern gegeben. So rät sie, sich selbst mit Mitgefühl zu begegnen, wenn es um die eigene Unvollkommenheit geht. Strategien, die dabei unterstützen, können folgende sein:
- Akzeptieren: Anzuerkennen, dass der Glaubenssatz „Sei perfekt“ existiert, aber auch, dass er nicht hilfreich oder notwendig ist.
- Rationalisieren: Fragen wie „Ist es wirklich möglich, immer perfekt zu sein?“ oder „Welche negativen Folgen hat mein Perfektionismus auf mein Leben?“ helfen, Beispiele zu finden, wo weniger Perfektionismus geholfen hat oder wo Fehler nicht die erwarteten negativen Konsequenzen hatten.
- Realistische Ziele setzen und große Ziele in kleinere, überschaubare Schritte zerlegen.
- Mindset ändern: Fehler als Lernchancen betrachten. Jeder Fehler ist eine Gelegenheit, sich zu verbessern und zu wachsen, den Fokus auf den Fortschritt und nicht auf die Perfektion zu legen.
- Loslassen: Aufgaben abzugeben und anderen zu vertrauen, kann man lernen, indem man es übt und tut. Wichtig ist, dahin gehend zu erkennen, wo die eigenen Ressourcen enden dürfen und dass das Hinzuziehen von Expert:innen nicht nur Zeit spart, sondern auch Nerven.
- Hilfe annehmen: Mit Freund:innen oder der Familie über Herausforderungen sprechen. Oft hilft es zu wissen, dass man mit Problemen nicht allein ist.
Brigitte Weutz rät, sich selbst mit Mitgefühl zu begegnen, wenn es um die eigene Unvollkommenheit geht.
Lektor:innen haben nicht versagt, wenn sie einmal etwas übersehen. Und Schreibende werden nicht als solche oder gar als Person kritisiert, wenn in ihren Texten ein Fehler gefunden wird oder ein Vorschlag für eine Umformulierung gemacht wird. Es geht um Anregungen und Ideen, den Text im Sinne der Autor:innen und für ein bestimmtes Zielpublikum noch besser zu machen. Als Lektor:innen arbeiten auch wir stetig daran, uns zu verbessern. Wir schlagen nach, immer wieder; wir stehen in beständigem Austausch und beraten einander bei sprachlichen Zweifelsfällen; wir achten auf heikle Buchstabenkombinationen; lesen Texte mehrmals unter unterschiedlichen Gesichtspunkten (etwa Fokus auf Orthografie oder Inhalt); und wir lernen aus unseren Erfahrungen, anstatt uns auf ihnen auszuruhen.
Nun, da die stillere Zeit des Jahres anbricht und das neue Jahr 2025 vor der Tür steht, bietet es sich an, sich ein paar Minuten zu nehmen und über den Umgang mit Fehlern nachzudenken. Könnte nicht ein Vorsatz lauten, der eigenen Unvollkommenheit mit etwas mehr Mitgefühl zu begegnen? Und mit etwas Humor, um sich mit Fehlern besser anzufreunden? In diesem Sinne möchten wir Ihnen hier ein paar kabaretttaugliche Vertipper des Joghurt-Teams präsentieren. der/die/das Joghurt wünscht gute Unterhaltung!
Fehlersammelsurium
Eine Kollegin verschickte vor langer Zeit eine E-Mail, im Verteiler über hundert Adressat:innen. Vielleicht hat sie als Kind zu viel Benjamin Blümchen gehört, aber statt „Büro“ stand in der Betreffzeile „Böröööööö!“. Besonders gern vertippt sie sich außerdem bei dem Wort „bald“, was besonders pikant ist, wenn die E-Mails an Kund:innen gehen. Diese können dann nämlich Sätze wie „Ich werde Ihnen den Text blad zurückschicken“ lesen. Und hoffentlich darüber lachen.
Eine andere Kollegin im Joghurt-Team verfasst gerne „Leidfäden“ und hätte in einem Exposé die eigenen „Salzkonstruktionen“ beschrieben, wäre sie nicht von einem zweiten Joghurt-Mitglied auf die wunderliche Textzutat hingewiesen worden. Mit dem Würzen hat sie es anscheinend sowieso, denn schon eine kleine Prise hinterlässt bei ihr mitunter einen komischen Geschmack – oder ist es doch vielmehr die leichte Brise, die sie ins Wanken bringt?
Im Stress des Arbeitsalltags passierte es einer Kollegin einmal, dass sie in einen E-Mail-Betreff gleich drei Buchstabendreher einbaute. Peinlich war’s, nix is gschegn. Sich selbst nicht ganz so ernst zu nehmen und in solchen Fällen, die wir wahrscheinlich alle kennen, den eigenen Fehler auch dem/der Empfänger:in der Mail gegenüber anzusprechen, macht sympathisch und menschlich.
Regelmäßig, und das wieder meistens beim schnellen Schreiben einer Mail, wird aus dem Lektorat das Lektoart. Eine kunstvolle Wortkreation. Mittlerweile kennt die Kollegin aber ihre in falscher Reihenfolge tippenden Finger schon gut und lässt sie den Tippfehler gleich wieder korrigieren. Dass sie einmal Kotrekturen an eine Kundin schickte, trieb ihr dann aber doch die Schamesröte ins Gesicht.
Sie sehen, auch wir sind nicht unfehlbar. Aber unsere jahrelange Erfahrung auf dem Gebiet des Lektorats macht aus uns genau deshalb Ihre helfenden Hände und Augen, wenn Sie Unterstützung im Schreibprozess brauchen. der/die/das Joghurt ist gern für Sie da!